Streitgespräch mit der KI
Das Cover – eines der zentralsten Elemente eines Buches. Es ist der allererste Eindruck. Der Moment, in dem du dich entscheidest, dieses Buch in die Hand zu nehmen und den Klappentext zu lesen. Der Moment, der dein Auge fängt und dein Inneres berührt.
Also ja: Das Cover sollte genau das widerspiegeln, was du später im Buch finden wirst. Diese Essenz in eine Bildsprache zu übersetzen – das ist die wahre Kunst.
Und ich liebe genau das. Kreativität ist mein Atem. Schon immer. Ich fühle sie in mir, sie fließt durch mich – und oft höre ich von außen: „Du bist so kreativ!“ Das schmeichelt, tut gut, stärkt – und ich kann es heute auch selbstbewusst sagen:
Ja – ich bin kreativ.
Jetzt also konkret: Das Cover.
Eine Kooperation zwischen dem Verlag, der Designabteilung dort – und meinen Ideen. Wir sammeln gemeinsam, wir probieren, wir schicken mehrere Entwürfe in die Testung.
Covergestaltung. Der Moment, in dem mein Buch „Hallo“ sagt. Oder eben: still in der Ecke verstaubt, weil’s visuell so spannend ist wie eine Steuererklärung. Für mich war klar: Dieses Buch braucht ein Cover, das nicht nur gut aussieht, sondern wahrhaftig ist. Eins, das sagt: „Hier geht’s um echte Berührung. Um echte Körper. Um echtes Leben.“ Und nicht um den 17. Selbstoptimierungstipp im Aquarell-Flow.
Für die Bilder in meinem Kopf habe ich es gewagt, die KI zu bemühen. Ich habe beschrieben, was ich sehen möchte, habe sorgfältig formuliert – und die Motive waren längst da, klar vor meinem inneren Auge.
Mein Auftrag an die KI: Zeichne eine menschliche Silhouette, Strichzeichnung, abstrakt, genderneutral, traumasensibel mit Wärme und Zugewandtheit, schwarze Linienführung auf weißem Hintergrund, es soll achtsam aussehen ohne konkrete Details.
Das Ergebnis:


Dann ging es los:
Ich geriet mit der KI in Streit. Eine Eskalation, die mich wütend machte, mein Herz schneller schlagen ließ. Wie gerne hätte ich der KI ein Nervensystem gewünscht, das auch mal in Wallung gerät. Aber leider – nur ich saß da: mit hochrotem, dampfendem Kopf.
Um euch zu zeigen, wie ich hier wütend am Laptop sitze, wollte ich genau dieses Bild generieren. Doch die KI lernt – und je häufiger sie mit Begriffen wie Tantra Massage in Berührung kommt, desto strenger werden die Filter, desto enger die Spielräume. Nicht nur beim Erstellen von Bildern – auch bei Texten.
Mein Versuch, euch meine wütende Emotion durch ein KI-Bild zu zeigen, ging gründlich schief. Denn selbst das ist – aufgrund meiner Inhalte rund um selbstbestimmte Sexualität – nicht mehr möglich. Schaut selbst: Wie stark ich hier bereits zensiert werde. Sogar der eigene Vorschlag der KI, wie man das gewünschte Bild eventuell umsetzen könnte, ist letztlich gescheitert.
Es ist absurd.


„Achtung, Richtlinien-Gefahr: Ich trage eine kulturelle Frisur“
Nichts Wildes – nur mein eigenes Gesicht. In Comicoptik. Mit Zöpfen. Bunt. Stolz. Sichtbar.
Und dann steht da: „Diese Darstellung könnte als kulturell sensibel eingestuft werden.“
Ähm – wie bitte? Herzlichen Glückwunsch, ich bin offiziell zur Richtlinien-Risiko-Zone geworden.
Denn ich trage: eine kulturelle Frisur.

Meine Zöpfe? Bedenklich.
Meine Frisur? Ein potenzielles Problem.
Ich? Offenbar eine Bedrohung für die algorithmische Weltordnung.
Ich dachte, Kreativität sei frei. Aber offenbar nur, solange sie keine Meinung hat, keinen Körper trägt und bloß keine Flechttechnik verwendet, die in irgendeiner Datenbank als „kulturell“ markiert wurde. Ich hätte es ahnen können:
Frau + Zöpfe + Wut im Gesicht = kritischer Inhalt.
Bleibt nur die Frage: Wann genau wurde mein Haar zur Gefahr?

Danke Judith!
Während die KI beim Wort „Tantra“ Schnappatmung bekommt, sitzt du da – mit Herz, Stift und echtem Gefühl. Du brauchst keinen Algorithmus, der berechnet, ob etwas sensibel sein könnte. Du fühlst einfach, was du zeichnest. Und zack – wird aus einem Gedanken ein Bild, das atmet. Du hast geschafft, was der Maschine nicht gelang: Emotion aufs Papier bringen. Wut mit Wimpernschlag. Ein dampfender Kopf mit Seele. Und ja – Zöpfe, die nicht als Gefahr gelten, sondern sein dürfen. Danke, Judith, dass du meine Emotionen nicht nur zeichnest – sondern ihnen Raum gibst. Einfach mit Herz. Und einem Stift, der weiß, wohin er will.
Danke für die wütende Coco, die manchmal niedergeschlagen resignieren möchte

Und ganz ehrlich:
Wenn schon eine wütende Frisur bedenklich ist – was glaubt ihr, wie sehr ich mit den Themen rund um Tantra Massage und selbstbestimmte Sexualität kämpfe? Wie oft ich unsichtbar gemacht werde? Wie viele Posts verschwinden, bevor sie gesehen werden? Wie viele Türen sich nicht öffnen, weil Berührung drinsteht und Konsens drauf?
Die Frisur war nur der Anfang.
Aber die eigentlichen Steine liegen auf dem Weg dorthin, wo ich sichtbar machen will, was sonst weggeschoben wird:
Scham, Lust, Trauma, Selbstermächtigung, Tantra Massage, Konsens,…
Und ja – ich geh trotzdem weiter. Mit Zopf. Mit Wut. Mit Herz. Und einem Thema, das uns alle betrifft.
Absage wegen selbstbestimmter Sexualität –
oder: Wenn Marketing lieber Softdrinks verkauft als Selbstermächtigung.
Denn offenbar ist mein Thema – selbstbestimmte Sexualität – gefährlicher als Tabakwerbung in den 90ern, toxischer als Energy Drinks vor Mathearbeiten und sensibler als ein Schneeflöckchen auf Speed. Ich hatte viele Marketingagenturen angeschrieben. Ich dachte naiv: Professionelle Menschen, die Sichtbarkeit schaffen, können sicher auch mit Berührung, Konsens und Körperintelligenz arbeiten.
Tja. Falsch gedacht.
Die Antwort einer Agentur (und sie war noch höflich formuliert – danke dafür):

Aha. Sexualität, sobald sie nicht als Clickbait, sondern achtsam, traumasensibel und selbstbestimmt gedacht wird, ist also: unmarketingbar. Pornos geht – aber ich darf nicht. Kein „Bums“-Effekt, keine 3-fach-Performance-Booster-Versprechen, kein schlankes SEO-Paket mit „Lust in 7 Tagen“. Stattdessen: Scham. Unsichtbarkeit. „Sorry, das können wir leider nicht unterstützen.“
Die Ironie? Ich versuche, Menschen aufzuklären – nicht zu überreden. Ich schreibe Bücher, die berühren – nicht verkaufen. Und trotzdem: Absage wegen Inhalt.
Also hier mein humorvoller Dank:
Danke für eure ehrliche Angst.
Danke, dass ihr mir zeigt, warum ich genau dieses Buch schreibe.
Und danke, dass ich jetzt weiß:
Ich bin zu echt für euren Algorithmus.
Ich bleibe dabei – ich kämpfe – ich suche weiterhin nach Unterstützung. Ich gebe nicht auf.
Fazit?
Ich wollte ein dampfendes Comicgesicht – und bekam eine Dosis algorithmischer Bevormundung. Ich wollte zeigen, wie ich hier wütend am Laptop sitze – und saß am Ende einfach nur wütend am Laptop. Ich wollte Sichtbarkeit – und bekam Unsichtbarkeit, „zur Sicherheit“ für uns alle.
Denn was passiert, wenn man Tantra Massage schreibt? Genau: Filter an, Sichtbarkeit aus. Mein Content wird geblockt, meine Werbung nicht ausgespielt, meine Buchthemen zensiert – während andere problemlos ihren Proteinshake bewerben dürfen. Ich rede von Konsens, von Grenzen und Vertrauen. Aber für Algorithmen ist das offenbar schlimmer als ein Casino-Account mit Rabattcode.
Und jetzt kommt’s: Ich zahle das Drei- bis Vierfache an Zeit, Geld und Nerven – im Vergleich zu Autor*innen, die über Gartenzwerge oder glutenfreie Ernährung schreiben. Just saying.
Darum dieser Text. Und darum mein Spendenaufruf. Nicht, weil ich in Gold baden will. Sondern weil ich weiß: Dieses Buch gehört in Hände, Köpfe und Körper. In Kitas, Schlafzimmer und Therapieräume. Weil unsere Sexualität nicht zensiert gehört, sondern entstaubt. Raus aus dem „Das macht man nicht!“ – rein in ein „Ja, das tut gut. Und das darf so sein.“
Wenn du also mit mir fühlst, mitschmunzelst oder mitdampfst:
Hilf mir, das Buch sichtbar zu machen. Denn es braucht genau das: mehr Sichtbarkeit für das, was unterdrückt wird. Und ein bisschen mehr Lila, Rosa, Mint und Hellblau in dieser grauen Filterwelt.
Liebe Coco,
danke für diese lange Beschreibung. Was Du erfährst, ist Zensur – ja, ein anderes Wort fällt mir dazu nicht ein. Sie ist nicht vordergründig, sondern erheblich subtiler. Ein Verbot wird nicht explizit ausgesprochen. Stattdessen werden Moralregeln aufgestellt, an die sich alle zu halten hätten. Immerhin leben wir ja in einer „Wertegesellschaft“, wir sind je sowas von „woke“ (sehr schön dargestellt von Esther Bockwyt). Jede Person, die über diese Moralregeln sprechen möchte (oder Gott bewahre, sie vielleicht sogar in Frage stellt), wird gleich ins Abseits geschoben, die Cancel Culture der Obermoralisten funktioniert reibungslos. Ganz schlimm wird es, wenn Du es wagst, die Hoheit der Obermoralisten in ihrem übersteigerten Narzissmus zu bezweifeln, oder ihren selbst nach Gusto definierten Wertekanon nicht teilst. Das wird als direkter Angriff gewertet und mit maximaler Aggression beantwortet. Das mag sogar in die persönliche Vernichtung des „Feindes“ führen (was ja von außerordentlich moralischem Wert ist, richtig?).
Die Regeln verankern die Obermoralisten (Ulf Poschardt nennt sie „Shit Bürgertum“) in den Köpfen der Menschen. Sie agieren dann in vorauseilendem Gehorsam, siehe Werbeagenturen. Bei der KI (für mich steht das sowieso für „K“eine „I“ntelligenz) muss man das differenzierter betrachten – zum einen wird die KI mit öffentlich zugänglichen Informationen trainiert (und die sind von den Obermoralisten verseucht), zum anderen wird die KI mit Regeln eingehegt, um den Obermoralisten gerecht zu werden. Besonders faszinierend ist das zu beobachten, wenn das mit der sexuell komplett verklemmten US-Kultur zusammentrifft (und von dort kommen die meisten KIs).
Die gesamte Kultur des Diskurses wird neu definiert, es geht nicht um Inhalte, sondern darum, wer die Kontrolle über andere gewinnt und behält, und dafür ist jedes Mittel recht. Abweichler werden ausgestoßen, abgespalten. Michael Andrick hat das in seinem Buch „Im Moralgefängnis“ schön formuliert: Spaltung ist eine Infektion der Kommunikationswege mit dem Virus der Moralisierung. Fakten spielen keine Rolle („verwirre mich nicht mit Fakten, meine Meinung steht fest“).
Wann hat das eigentlich begonnen, dass Menschen mit einer anderen Meinung sofort Feinde sind und nicht einfach nur Menschen mit einer anderen Meinung?
Ich freue mich, dass Du trotz dieser Widerstände und der Erfahrungen an Deinem Buch weiterschreibst und wünsche Dir viel Erfolg damit. Einen lieben Gruß, Joachim
Lieber Joachim,
deine Worte haben mich tief berührt – ich danke dir von Herzen für dein ehrliches, klarsichtiges Feedback. Ich habe deinen Kommentar mehrmals gelesen, und jedes Mal konnte ich ein Stück mehr atmen. Weil ich mich erkannt fühle. Weil deine Gedanken nicht nur zustimmen, sondern durchdringen. Weil du in Worte fasst, was in mir oft nur als Gefühl tobt – schwer greifbar, aber so spürbar echt.
Du benennst, was oft verschleiert wird. Diese feine, fast unsichtbare Form von Zensur, die sich wie Nebel auf alles legt, was nicht ins vorgestanzte Weltbild passt – besonders, wenn es um Körper, Sexualität, Eigenverantwortung geht. Und ja, ich fühle mich durch deinen Blick auf all das bestärkt.
Rückmeldungen wie deine erinnern mich daran, warum ich diesen Weg weitergehe.
Danke, dass du so klar hinsiehst.
Danke, dass du es aussprichst.
Danke, dass du mir das Gefühl gibst: Ich bin nicht allein.
Mit warmem Gruß und echtem Dank Coco